Dr. Elisabeth Boßlet

Im Gespräch mit dem Aktionsbündnis Arbeitsmedizin über ihre Ziele heutzutage und Erfahrungen aus dem Jahr 2021

Die junge Ärztin war 2021 Stipendiatin des Aktionsbündnisses. Da waren ihre beiden Töchter ein und vier Jahre alt. Mit dem monatlichen Zuschuss finanzierte sie sich Betreuungszeit, die ihr die Weiterbildung zu Arbeitsmedizinerin ermöglichte. Die absolvierte sie im „AME- Privates Institut für Arbeitsmedizin“ im saarländischen Sulzbach. Nach erfolgreich bestandener Facharztprüfung stieg sie wie geplant in die Geschäftsführung der Praxis ein – und stockte das Personal gleich mal um hundert Prozent auf.

Frau Dr. Boßlet, seit 1. Januar 2023 sind Sie Inhaberin ihrer eigenen arbeitsmedizinischen Praxis. Wie fühlt sich das an?

Überwältigend! Ich kann Arbeitsabläufe und Zukunftspläne selbst gestalten, bin für alle Prozesse zuständig, kann meine eigenen Schwerpunkte setzen. Ich setze jetzt noch viel mehr als vorher das um, was mich interessiert – fachlich und unternehmerisch.

Zum Beispiel?

Gemeinsam mit meinem Mann, der sich als Mitinhaber um die Verwaltung und den Vertrieb kümmert, habe ich so viele Kunden und Kundinnen akquiriert, dass wir das Team verdoppeln konnten. Wir sind jetzt zu acht: zwei Ärztinnen, vier Arzthelferinnen, mein Mann in der Verwaltung und eine Mitarbeiterin am Empfang. Außerdem unterstützt uns glücklicherweise immer noch mein ärztlicher Weiterbilder, der mich durch die letzten beiden Jahre begleitet hat. Im Hintergrund ist er für das jetzt sehr junge Team ein wichtiger Mentor und Berater geblieben, was wir sehr schätzen.

Und fachlich?

Wir bieten das gesamte Spektrum der Arbeitsmedizin an und darüber hinaus sehr viele Leistungen für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) der Betriebe. Wir haben eine Sozialarbeiterin und einen Psychologen an Bord, haben Entspannungstherapie und Ernährungsberatung im Angebot, machen auch viel Reisemedizin. Inzwischen bieten wir viel virtuelles BGM an, Video- und Audioreihen zu Resilienz und Stressreduktion, bewegte Mittagspausen, Erste Hilfe und Hygiene. Das Thema, das mir selbst am meisten am Herzen liegt, ist die klimasensible Gesundheitsberatung der Probandinnen, Probanden und Betriebe. Aufgrund unserer Multiplikatorenfunktion können wir Betriebsärztinnen und -ärzte uns effektiv dafür einsetzen, die Klimafolgen abzumildern und Klimaanpassung zu fördern. Dabei steht die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten selbstverständlich nach wie vor im Vordergrund – aber in einem umfassenderen Sinne: Das Klima wird als Grundvoraussetzung für gesundes Leben mitberücksichtigt.

Wie sieht das konkret aus?

Wir beraten die Probanden und Probandinnen hinsichtlich einer gesundheitsfördernden, präventiven Lebensführung, insbesondere in den Bereichen Mobilität und Ernährung. Beides sind wichtige Ansatzpunkte, die eigene Gesundheit zu verbessern und gleichzeitig den persönlichen CO2-Fußabdruck zu verringern. Wir besprechen, welche Wege sie ohne Motorisierung, zum Beispiel mit dem Fahrrad oder zu Fuß, zurücklegen können. Und wir beraten zu den Vorteilen einer pflanzenbasierten, flexitarischen Ernährung gemäß der Planetary Health Diet. Außerdem geben wir den betrieblichen Akteurinnen und Akteuren Impulse zur Entwicklung von Hitzeaktionsplänen, die die Beschäftigten an heißen Tagen schützen und Beschäftigungsfähigkeit erhalten sollen. Eine Werksärztin kann auf diese Weise hunderte von Beschäftigten erreichen. Wenn nur jeder zehnte sein Verhalten ändert, haben wir schon etwas für das Klima erreicht. Außerdem stellen wir auch unsere eigenen Praxisabläufe um und arbeiten daran, nachhaltiger zu werden.

Zu Beginn Ihres Studiums hatten Sie die Arbeitsmedizin gar nicht im Blick. Sie strebten eine klinische Karriere an. Es kam definitiv anders.

Ich bereue es überhaupt nicht, den Weg aus der kurativen Medizin in ein präventives Fach gegangen zu sein und bin superbegeistert von der Vielfalt in meinem Fach.

Wie konnte Ihnen damals das Stipendium des Aktionsbündnisses helfen?

Die Finanzierung war goldwert! 2021 war die Corona-Hochzeit. Wir haben in unserer Praxis in der Grenzregion zu Frankreich sehr viele Mitarbeitende für den Grenzübertritt regelmäßig getestet und insgesamt über 3.200 Covid-Impfungen durchgeführt, zusätzlich zu knapp tausend Grippeschutzimpfungen. Wir arbeiteten manchmal bis nachts um zehn. Das hätten wir ohne zugekaufte Betreuungszeiten nicht schaffen können. Auch mein Mann war in dieser Zeit bereits stark in die Praxis eingebunden, er musste seine Elternzeit aufgrund der Mehrbelastung abbrechen und in der Praxis helfen. Es war die Voraussetzung, dass wir die Praxis so gut aufstellen konnten wie sie jetzt ist.

Dr. Elisabeth Boßlet, Fachärztin für Arbeitsmedizin und Inhaberin einer eigenen Praxis in Sulzbach
(Foto: © Elisabeth Boßlet)

So war es 2021

Dr. Elisabeth Boßlet, noch in Weiterbildung zur Arbeitsmedizinerin – mit der Chance vor Augen, sich danach mit einer eigenen Praxis selbstständig machen zu können. Sie war vor allem in Sachen „Corona-Prävention“ unterwegs. Und wartete damals sehnlichst darauf, endlich mitimpfen zu dürfen. Klicken Sie hier und erfahren Sie, was die Arbeitsmedizin täglich zur Bewältigung der Pandemie beitrug.